Seitdem Sir Peter im Himmel weilte und als Beauftragter des Herrn bei wichtigen Anlässen für die
Veranstaltungen zuständig war, hatte die Kultur dort oben einen neuen Stellenwert. Sir Peter, mit
vielen, vielen Gaben und Talenten gesegnet, war auf der Erde Schriftsteller, Regisseur,
Opernintendant, ein großer Humanist und ein überaus berühmter Schauspieler gewesen. Zwei Mal
hatte er einen Film-Oscar erhalten. Sein eigentlicher Name lautete Sir Peter Alexander Baron von
Ustinov. Da Sir Peter „in Person“ Kunst und Kultur verkörperte wie kein Zweiter, hatte er es gern
übernommen, ansprechende, aber auch anspruchsvolle „paradiesische“ Programme auf die Beine zu
stellen. Meistens trat er dabei sogar selber auf, rezitiere, musizierte und parodierte. So konnte er
perfekt den himmlischen „Juniorchef“ nachmachen. Dann war echt Stimmung angesagt, und selbst
die Sterne in der Nähe leuchteten ausnehmend hell vor Vergnügen.
Besonders schön war es in der Vorweihnachtszeit. Also genau jetzt! Speziell die Adventssonntage
lagen Sir Peter am Herzen.
Heute war der vierte Advent. Alles war festlich geschmückt, die Lichter strahlten um die Wette, und
der Chor der Engel wartete schon voller Ungeduld auf seinen späteren Auftritt. Sir Peter hatte sich
wieder etwas Feines ausgedacht und war gespannt, wie es ankommen würde.
Der große Himmelssaal war bis auf den letzten Platz besetzt. Alle hatten sich schön gemacht und
die Engel sogar ihre Flügel auf Hochglanz poliert.
Sir Peter nahm das himmlische Mikrophon und begann:
„Ihr Lieben, als ich noch auf der Erde lebte, war ich auch Sonder-Botschafter von UNICEF. Das ist,
wie Ihr wisst, eine Organisation, die sich um die armen Kinder in der Welt kümmert. Es gibt leider
viel Hunger und Elend dort unten, worunter ganz besonders die Kleinen und die ganz Kleinen zu
leiden haben. Deshalb bemüht sich UNICEF, deren Not zu lindern und dafür zu sorgen, dass sie
wenigsten einmal am Tag satt zu essen bekommen. Außerdem baut man Schulen und
Krankenhäuser, Brunnen und Kindergärten und vieles mehr. Eine ganz, ganz wichtige Aufgabe, die
leider von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt. Im Rahmen meiner Tätigkeit bei UNICEF durfte ich
Anfang 1980 einen Scheck über 500.000 DM in Empfang nehmen, der aus Dortmund kam. Das
liegt in Nordrhein-Westfalen, also in Deutschland.
Aber „die Geschichte hinter der Geschichte“ dieser Spende will nicht ich erzählen. Das wird unser
Freund Johan machen.
Der angesprochene Johan trat nach vorn. Sein irdischer Name lautete Johan Cruyff. Er war neben
Franz Beckenbauer, Maradona und Pele einer der besten Fußballer überhaupt und holte mit der
holländischen Nationalmannschaft und seinen Clubs Ajax Amsterdam und dem FC Barcelona viele
nationale und internationale Titel und Meisterschaften.
Johan begann:
„Ich war damals auf der Erde ein recht erfolgreicher Fußballer,“ sagte er bescheiden, wie es sich im
Himmel gehört.
„Anfang November 1979 erhielt ich einen Anruf vom Präsidenten von Borussia Dortmund. Er hieß
Dr. Reinhard Rauball und war gerade erst vor wenigen Wochen in sein neues Amt gewählt worden.
Rauball erzählte mir, dass sein Verein eine Anfrage mit einer Bitte von UNICEF erhalten habe, die
man gern erfüllen wolle. Es ging um ein Benefizspiel zugunsten der ärmsten Kinder der Welt.
Sämtliche Einnahmen sollten dafür gespendet werden. Der BVB sei als der aktuelle Spitzenreiter
des Fußball-Bundesliga ausgewählt und angesprochen worden. In diesem Zusammenhang hätte
man in Dortmund die Idee geboren, die Borussia gegen eine Weltelf spielen zu lassen, um eine
möglichst hohe Einnahme zu erzielen. Was ich, Johan Cruyff, davon halten und vor allem, ob ich in
der Weltauswahl eventuell mitspielen würde. Franz Beckenbauer sei dabei, mein langjähriger
Freund Johan Neeskens, Oleg Blochin, Kevin Keegan, Gerd Müller und andere mehr. Eine

Ansammlung derartiger Superstars hätte selbst das in aller Welt berühmte Westfalenstadion noch
nicht erlebt. Als Coaches der internationalen Mannschaft habe man Hennes Weisweiler und Branko
Zebec ins Auge gefasst und als Termin für das Spiel den 28. Dezember 1979.
Ich fand die Idee super und schaute schnell auf meinen Terminplaner. Keine Verpflichtung an
diesem Tag! Deshalb sagte ich gern zu und freute mich sehr über die Einladung. Zum einen, um
meine Kollegen wie „Kaiser“ Franz Beckenbauer einmal wiederzusehen, zum anderen aber auch
deshalb, weil ich an Dortmund sehr gute Erinnerungen hatte. Immerhin habe ich mit der
holländischen Nationalmannschaft im Rahmen der WM 1974 drei Mal dort gespielt und dabei sogar
Brasilien als den Titelverteidiger mit 2:0 geschlagen. Da wurden viele Erinnerungen wach! An das
Westfalenstadion mit seiner unschlagbaren Atmosphäre, aber auch an die Gastfreundschaft der
Menschen dort, die gerade uns Holländer sehr in ihr Herz geschlossen hatten.
Und für UNICEF antreten zu dürfen, war immer eine Ehre!“ Mit diesen Worten beendete Johan
seine kleine Ansprache.
Sir Peter ergänzte: „Für den BVB passte diese Aktion gut in den Reigen der eigenen sozialen
Aktivitäten, die man bereits 1919 mit dem ersten Benefizspiel der DFB-Geschiche für die aus dem
1. Weltkrieg zurückgekehrten Soldaten begonnen hatte.
Von Stund an war eine Menge zusätzlicher Arbeit angesagt in der BVB-Geschäftsstelle, die selbst
an den Weihnachtsfeiertagen mit Freude und Leidenschaft bewältigt wurde.
Gut 30.000 Fußballfans füllten das Stadion, als es am 28. 12. 1979 unter Flutlicht zur Sache ging.
Der BVB hatte wenige Tage vor dem Fest noch den 1. FC Kaiserslautern mit 6:2 besiegt, befand
sich also in einer ausgezeichneten Verfassung und wurde von Trainer Udo Lattek gut eingestellt.
Es gab ein tolles Match mit vielen, vielen fußballerischen Leckerbissen, das die Schwarz-Gelben
letztlich mit 3:2 gewannen. Aber das Ergebnis war absolut zweitrangig. Wirklich wichtig war, dass
für UNICEF und damit für die armen Kinder der Welt die stolze Summe von 500.000,- DM
zusammenkam, die BVB-Präsident Dr. Rauball dann in Richtung New York auf den Weg bringen
konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt war das die größte Einzelspende in der gesamten Geschichte von
UNICEF überhaupt. Und ich, wie gesagt, durfte sie als UNICEF-Botschafter in Empfang nehmen.“
Sir Peter Alexander Baron von Ustinov blickte auf und schmunzelte. Dann machte er eine
Kunstpause und sagte in die „Tiefe des Raumes“: „Und mit dieser Spende machte ich auch meinen
persönlichen Frieden mit Borussia Dortmund. Ich bin nämlich ein großer Fan des FC Liverpool und
habe es dem BVB lange nicht verziehen, dass er 1966 meine „Reds“ im Endspiel um den
Europacup der Pokalsieger mit 2:1 geschlagen hatte und damit Deutschlands erster
Europapokalsieger überhaupt geworden war!“
Und dann gab der große Künstler und Humanist dem wartenden Himmelschor das lang ersehnte
Zeichen und dieser sang: „Im Jahre 1909, da wurd`ein Stern gebor`n. Und man sah sofort an seinem
Schein, er kann nur aus Dortmund sein.“
Alle Anwesenden stimmten in das Lied mit seiner wunderschönen Melodie ein. Es war ein echter
musikalischer Genuss und ein bewegender Augenblick.
Als direkt danach die Stelle kam „Dieser Stern, der heißt Borussia,“ dachte Sir Peter ganz still für
sich: “Und am 28. 12. 1979 war der Stern Borussia ein leuchtender Stern für UNICEF!“
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!!